Ein kurzer Bericht zum Zustandekommen meiner Archiv-Bestände (Hilbert Meyer, Prof. em. für Schulpädagogik an der Fakultät I)

2025 habe ich 22 Umzugskartons mit 129 Ordnern und 114 vollgeschriebenen Kladden an das Archiv der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg übergeben. Es war für mich im „zarten“ Alter von 83 Jahren ein großes Vergnügen, aus diesem Anlass 65 Jahre meiner eigenen Ausbildung, meiner Berufs- und Hochschullehrertätigkeit noch einmal an mir vorüber ziehen zu sehen.

Vorzüglich begleitet wurde ich bei der Zusammenstellung der Dokumente und Archivalien von Kirsten Sturm, Mitarbeiterin im Uni-Archiv. Das Foto zeigt sie bei ihrem letzten Besuch in der Kastanienallee neben einem kleineren Teil der Umzugskartons. Sie war es auch, die mich gebeten hat, diesen kurzen Bericht zu schreiben. Eine pingelig genaue Auflistung aller in das Archiv gewanderten Dokumente gibt es in einer Extra-Datei bzw. im Archivinformationssystem Niedersachsen und Bremen (Arcinsys) unter der Bestandssignatur 28230.

Ordnung herzustellen macht Spaß! Noch nie vorher waren meine Leitzordner so sorgfältig sortiert wie es nun der Fall ist. Gründlich aufzuräumen und die Familie, die Kolleg:innen und Freunde in diesen Prozess einzubeziehen, hat bei mir keineswegs Wehmut ausgelöst – es hat einfach Spaß gemacht!

Zu viel? Allein die Auflistung aller ans Archiv übergebenen Dokumente ist 45 Seiten lang. Ich war erschrocken, wieviel es geworden ist. Frau Sturm hat mich beruhigt und gesagt: „Wir hatten schon Hochschullehrende, die noch mehr abgeliefert haben.“ Also habe ich alles zusammengestellt, was mir selbst interessant und aussagekräftig zu sein scheint.

Wer soll das alles lesen? Ich weiß es nicht. Und ich spekuliere auch nicht darüber, weil mir klar ist, dass ich mit ziemlicher Sicherheit daneben tippen würde, welche meiner Dokumente irgendwann von irgendjemandem angesehen werden könnten.

Es war ein Berg an Arbeit: Das Ordnen, Sortieren und Aussortieren hat mit kurzen Unterbrechungen für andere Arbeiten knapp drei Monate gedauert – auch weil ich vieles von dem, was sich in 65 Jahren angehäuft hat, erneut und einiges sogar erstmals gelesen habe.

Was ist an das Archiv übergeben worden? In der Datei wird auf 45 Seiten detailliert aufgelistet, welche Daten und Dokumente ich übergeben habe. Deshalb nur wenige Hinweise in diesem Kurzbericht. Aufgenommen wurden:

  • Persönliche Dokumente: Originale der Geburts-, Tauf- und Konfirmationsurkunden, die Grundschul- und Sekundarstufen-Zeugnisse; mein Abiturzeugnis, zwei Lehramtsexamina, Magister- und Promotionsurkunde, Ernennungsurkunde zum Professor, Entpflichtungsurkunde. Vor der Abgabe der Originale habe ich meine vier Kinder gefragt, ob sie damit einverstanden sind, dass ich die Originale an die Uni gebe. Sie haben es begrüßt und ich habe ihnen erzählt, was mein verstorbener Freund Ewald Gäßler, damals Direktor des Stadtmuseums Oldenburg, mir vor 20 Jahren klar gemacht hatte: „Nachlässe zerteilt man nicht!“
  • ELAB: Von 1975 bis 1985 habe ich mich für den Modellversuch zur Einphasigen Lehrerausbildung stark gemacht. Deshalb liegt hier ein Schwerpunkt der übergebenen Dokumente: meine ersten Vorlesungen; mehrere Kladden zur Mitwirkung in ELAB-Projekten, Kladden mit Unterrichtsmitschriften, die ich bei Unterrichtsbesuchen von Studierenden gemacht habe; Stundenentwürfe zu den unterrichtspraktischen ELAB-Prüfungen – sie geben ein reiches und realistisches Bild dazu ab, wie Studierende und Quasi-Referendar:innen in den 1970er und 1980er Jahren unterrichtet haben.
  • Vorlesungs- und Vortragsskripte: Sie füllen ein Dutzend Leitzordner. Deshalb ein Dank an das Druckzentrum der Uni Oldenburg. Die Kolleg:innen dort haben geduldig über Jahrzehnte hinweg meine Vorlesungsmanuskripte und Vorträge gedruckt. Ein kleinerer Teil davon wandert nun in das Archiv.
  • Akademischer Briefwechsel: In 19 Ordnern habe ich dem Archiv meinen akademischen Briefwechsel übergeben. Sollte ich nochmals hineinschauen müssen, habe ich ja jederzeit ein Zugangsrecht.
  • Artefakte: Ich habe dem Archiv auch einige „Artefakte“ übergeben: den ausgestopften Igel, den ich in zahllosen Vorlesungen und Seminaren eingesetzt habe; den „Sprechstein“, den ich in Gesprächsrunden und als Taktgeber bei der Gruppenarbeit genutzt habe. Auch der Doktorhut, den ich bei der Ehrenpromotion an der Turku Universität in Finnland (2022) erhalten habe, ist nun im Archiv(den dazu gehörigen Degen wollte mein Enkel haben – deshalb ist er nicht mit in die Uni gewandert). Ich möchte andere Kolleg:innen der Uni, die das Vergnügen gehabt haben, einen Dr. h.c. zu erhalten, ermuntern, den Hut ebenfalls der Uni zu vermachen. Das könnte eine schöne Sammlung werden!

  • China-Kooperation: Ich bin 2006 das erste Mal zu Vorträgen nach China eingeladen worden; sechs weitere Reisen folgten. Trotz der Mahnungen des KP-Chefs Xi Jinping, nicht so viele Westkontakte zu pflegen, entwickelte sich die Kooperation prächtig. Das ist auch daran abzulesen, dass wir inzwischen sechs Konferenzen zum chinesisch-deutschen Didaktik-Dialog durchgeführt haben – abwechselnd in Shanghai und Oldenburg, in Wuhu (Provinz Anhui) und am IPN in Kiel. Auf deutscher Seite wurden diese Konferenzen maßgeblich von mir vor- und nachbereitet. Entsprechend viele Materialien sind angefallen.

Nicht in den Archivbestand sind von mir aufgenommen:

  • Gutachten: Examensgutachten, Noten für Masterarbeiten, Promotions- und Habilitationsgutachten, Gutachten für Berufungen habe ich nicht aufgenommen. Sie dürften über die Fakultäts- und Institutsleitungen archiviert werden. Außerdem bleiben sie noch einige Jahre lang vertraulich.
  • Digitale Dokumente: Ich habe nur einen kleinen Teil der digitalen Dokumente (Briefwechsel, Vorlesungsmanuskripte, Seminarplanungen, Fortbildungen) ausge-druckt und in die Ordner aufgenommen. Deshalb stammt die Mehrzahl der dem Archiv übergebenen Dokumente aus den Jahren 1975 bis circa 2000.

Datenschutzrechtliche Sichtung: Sicherlich dürfen nicht alle Dokumente ab sofort  öffentlich zugänglich gemacht werden, z.B. der Ordner, in dem ich meinen persönlichen Briefwechsel zu Querelen im Fachbereich 1 bzw. in der Fakultät I oder der ganzen Uni gesammelt habe. Die Entscheidung, was wie lange aus Rechtsgründen vertraulich bleiben muss, überlasse ich dem Uni-Archiv.

Heftklammern – nein danke! Da uns auf einer Info-Veranstaltung des Uni-Archivs dezent beigebracht worden ist, dass Heftklammern in allen Dokumenten samt und sonders entfernt werden müssen, weil sie in 100 Jahren Archivaufenthalt vollständig korrodieren würden, habe ich allein mit deren Beseitigung mehrere Tage zugebracht und die Fingernägel strapaziert, bis ich mir für 3,95 Euro einen Heftklammer-Entferner gekauft habe.

Klarsichtfolien – nein danke! Ich war wie Hans-Jochen Vogel ein Klarsichtfolien-Fan. Sie sind im Uni-Archiv unerwünscht, weil sie über die Jahre die Druckerschwärze aufsaugen, was ich an 50 Jahre alten, nie wieder angefassten Briefen auch selbst gesehen habe. Ich habe alle Folien entfernt. Ein Berg von schätzungsweise 3000 Klarsichtfolien – niemand wollte sie haben. So wanderten sie alle in den Gelben Sack.

Keine Bücher! Gunnar Zimmermann, Leiter des Archivs, war vor einem guten Jahr aus anderem Anlass bei mir im Hause. Ich habe ihn auf meine Archiv-Absichten angesprochen. Er sagte: „Bücher sind unerwünscht! Wir archivieren nur Unveröffentlichtes, z.B. Vorlesungen, den akademischen Briefwechsel und gern auch Ihre Kladden.“ Dass Bücher nicht übernommen werden, hatte mir schon vor 20 Jahren Oliver Schoenbeck von der Uni-Bibliothek gesagt. Auch das BIS lässt sich keine Buchbestände schenken. Die gut nachzuvollziehende Begründung: Bücher, die die Hochschullehrenden bei sich zu Hause haben, haben sie größtenteils auch in der Uni-Bibliothek anschaffen lassen.

Eine private Fachbuchsammlung aufzulösen, ist harte Arbeit! Ich habe erstmals durchgezählt, wie viele Fachbücher ich besitze und war selbst überrascht: Es sind 4600 Stück. Hinzu kommen noch circa 1000 Bücher Belletristik, Geschichte, Politik, Reiseführer und anderes mehr. Wohin damit? Keiner der vielen Sechzig- bis Achtzigjährigen, die ich kenne, will von mir Bücher geschenkt bekommen. Sie wollen eher ihre eigenen Bücher loswerden. Hin und wieder gelingt es mir, Doktorand:innen etwas zu schenken. Also wird der Großteil der Bücher wohl in der Tonne landen. Eine Ausnahme: Ich habe drei Jahrzehnte lang auf dem Oldenburger Flohmarkt alte Schulbücher gesammelt. Zusammen 120 Stück, die zwischen 1750 bis 1900 erschienen sind. Ich konnte sie der Landesbibliothek Oldenburg am Pferdemarkt vermachen.

„Einstürzende Neubauten“: Auf der Homepage der Fakultät I und nun auch ausgedruckt im Archiv finden Sie einen 100 Seiten langen illustrierten Bericht über meine Hochschullehrertätigkeit an der Carl von Ossietzky Universität. Die Überschrift lautet: „Befriedigende Arbeit in Einstürzenden Neubauten“. Damit will ich ausdrücken, dass auch dann, wenn etwas anders realisiert wird, als man es sich erträumt hatte, sinnvolle pädagogische Arbeit in den Lehramtsstudiengängen möglich ist.

Zum Schluss: Ich möchte mit diesem Bericht alle Universitätsangehörigen, die in meiner Alterslage angekommen sind, ermutigen, mit dem Uni-Archiv Kontakt aufzunehmen und sich schlau zu fragen, was von ihren Dokumenten für das Archiv von Interesse sein könnte.

Autorenschaft:

Autorenschaft: Hilbert Meyer

Prof. em für Schulpädagogik an der Fakultät I