Am 26. Januar 1995 wurde das vom Studentenwerk unterhaltene Wohnheim am Pferdemarkt offiziell eingeweiht. Den Eröffnungsfeierlichkeiten wohnten unter anderen der Universitätspräsident Prof. Michael Daxner, der Geschäftsführer des Studentenwerks Gerhard Kiehm, der Oldenburger Oberbürgermeister Dieter Holzapfel sowie die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur Helga Schuchardt bei, wie diverse Fotografien, die im Universitätsarchiv Oldenburg sowohl in analoger als auch in digitalisierter Form vorliegen, bezeugen.

Bereits im Laufe des Jahres 1994 war die ehemalige Infanteriekaserne von Studierenden der Universität Oldenburg bezogen worden. Dem vorausgegangen war ein jahrelanger „Poker um (die) Kaserne am Oldenburger Pferdemarkt.“ (Uni-Info 2/91). Im Mai 1990 hatte der Bundesfinanzminister Theo Waigel dem Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann Wohlwollen in Bezug auf den Erwerbsantrag des Oldenburger Studentenwerkes zugesagt, um die Pferdemarktkaserne wenige Monate später dann öffentlich auszuschreiben. Ein anschließender dringender Appell Möllemanns, der jüngst zum Bundeswirtschaftsminister im frisch gewählten Kabinett der dritten Kanzlerschaft Helmut Kohls ernannt worden war, gab wohl den entscheidenden Impuls, die öffentliche Ausschreibung zu hinterfragen. Zwar hatte im Juni 1991 bereits das Angebot eines englischen Investors über 6,7 Millionen Deutsche Mark den Zuschlag erhalten; der Investor konnte jedoch im Juli 1992, nach gut einjährigen Verhandlungen, von einem Vertragsrücktritt überzeugt werden. Im April 1993 konnte das Studentenwerk unter der Schlagzeile „Kasernen-Poker hat ein Ende“ schließlich vermelden, dass das zukünftige Wohnheim für einen Kaufpreis von 3,35 Millionen Deutschen Mark den Besitzer gewechselt hatte. (Sozial Info April 1993)
Die Pferdemarktkaserne, deren Bau im Jahr 1882 begonnen wurde, wirft einen mitunter tiefschwarzen historischen Schatten. Die Entwürfe für das Bauvorhaben stammten von Heinrich Carl Slevogt, der bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1832 das Amt des Bauinspektors im Herzogtum Oldenburg bekleidet hatte. Nach ihrer Fertigstellung beherbergte die Kaserne das Oldenburgische Infanterie-Regiment Nummer 91 unter wechselnden Kommandeuren – von 1893 bis 1896 etwa unter Paul von Hindenburg, der später zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik aufsteigen und Anfang 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennen sollte. Daraufhin wurde Oldenburg zum Sitz der Leitung des nationalsozialistischen Verwaltungsbereichs „Gau Weser-Ems“. Der Pferdemarkt wurde in „Platz der SA“ umbenannt und in den Folgejahren unter anderem für Militärparaden genutzt. Während der nationalsozialistisch organisierten Novemberpogrome vom 9.auf den 10.November 1938 diente ein Nachbargebäude der Pferdemarktkaserne, die ehemalige Polizeikaserne am Pferdemarkt (heute Landesbibliothek), als Ausgangspunkt für den sogenannten „Oldenburger Judengang“, eine der dunkelsten Episoden der Oldenburger Stadtgeschichte.
Umso wichtiger ist es, dass das denkmalgeschützte Gebäude seit den 1990er Jahren über die Funktion als Mahnmal und architektonisches Zeugnis hinaus einen Beitrag leistet, dem Mangel an erschwinglichem studentischem Wohnraum in der Universitätsstadt Oldenburg entgegenzuwirken. Mittlerweile bietet die Pferdemarktkaserne Wohnraum für maximal 301 Personen in unterschiedlichen Wohnkonstellationen, von Einzel- und Doppelapartments bis hin zu Wohngemeinschaften von maximal zwölf Personen.
Quellen:
Universitätsarchiv Oldenburg (Archivsignaturen in Klammern):
Fotos:
(29301 311), (29301 312), (29301 319), (29301 330), (29301 334)
Zeitschriften:
Sozial Info Januar 1991 (29124 047)
Sozial Info Januar 1993 (29124 052)
Sozial Info April 1993 (29124 050)
Campus-Radio:
Sendung vom 10.09.97: Die Geschichte der Pferdemarktkaserne – von Menschen, Mauern und Militär (29001-30)
Außerhalb des Archivs:
Homepage Studentenwerk Oldenburg, https://www.studentenwerk-oldenburg.de/de/wohnen/oldenburg/pferdemarkt/, Zugriff am 01.07.2022.
Uni-Info 2/91